GLÜCK IST LIEBE – NICHTS ANDERES.
WER LIEBEN KANN IST GLÜCKLICH!
(HERMANN HESSE)
„Wer von euch war denn schon einmal in Sumatra“? frage ich zu Beginn meines Vortrags immer – und wundere mich jedes Mal, wie wenig Finger doch nach oben gehen. Und dabei ist diese Insel tatsächlich ein verstecktes Paradies und es passiert eigentlich ganz unbemerkt, dass man sein Herz an diese wunderschöne, wilde und doch so verträumte Insel verliert … Aber wo, wann und wie genau habe ich eigentlich mein Herz verloren?
DIE RUHE
Tangkahan liegt am wilden Ufer des Kuala-Buluh Rivers und ist eigentlich nicht mal ein Dorf, sondern besteht aus einer Bushaltestelle, einem Parkeingang, den man über eine wackelige Hängebrücke erreicht, und einer Handvoll einfacher Bungalows, die wie zufällig verstreut direkt am Fluss liegen. Eine kleine Gemeinde freundlicher ehemaliger Holzfäller, die heute als Guides arbeiten, lebt am Rand dieses ungezähmten Dschungels… Wir sind genau an der Grenze zum Gunung Leuser Nationalpark und man hat Luft zum Atmen. Durchatmen. Beim Dschungeltrek begegnet man den ganz wilden Orang-Utans, Argusfasanen, Gibbons, … man watet durch den Fluss, um dann in heißen Quellen zu baden oder verträumte Wasserfälle zu erreichen, stiefelt bergauf-bergab durch einen grünen Himmel – mit all seinen unglaublichen Facetten an Farben und Formen von Tier und Pflanze. Ein Gefühl der absoluten Zufriedenheit macht sich breit … spätestens dann, wenn man mit den Elefanten im Fluss baden geht. Mitzuerleben, wie die freundlichen Dickhäuter genussvoll im kühlen Nass plantschen und vielleicht sogar selbst einen Elefanten sauber zu schrubben, ist definitiv ein unvergessliches Erlebnis …
Ein Ort, der auf einer Insel liegt, die sich mitten in einem See befindet, unter dem ein Vulkan brodelt. Klingt komisch? Ist aber so! Und ist magisch! Der Ort heißt witziger weise Tuktuk, liegt auf der Insel Samosir mitten im Lake Toba – das muss man gesehen und erlebt haben – obwohl es dort im herkömmlichen Sinn gar nicht so viel zu erleben gibt. Mit einem gemieteten Roller kommt man wohl in vier Stunden einmal glatt um die Insel. Man kann in heißen Quellen baden oder wandernd die traumhafte Natur und Umgebung genießen – und sich so ein kleines bisschen an den Lago Maggiore erinnert fühlen, wenn da nicht die exotischen Pflanzen und die lustige Sprache wäre … Für einen Party-Urlaub eignet sich dieser Ort eher weniger – die Lichter werden fast überall um 21 Uhr ausgeknipst. Es gibt keine Party, außer vielleicht einen traditionellen Batak-Tanz, der genauso seltsam ist, wie er klingt. Aber das ist ein anderes Thema.
Kaum im Dorf Batu Katak angekommen findet man sich am wunderschönen Fluss Berkail wieder, der seinen Weg an ein paar wenigen bescheidenen Häusern, Warungs und Geschäften entlang windet. Auch hier ist die Luft frisch, die Tierwelt umwerfend und ein paar wenige versprengte Touristen haben hier einen wundervollen Platz gefunden, um fernab jeglicher Hektik, Gedränge und Hitze eine Auszeit zu nehmen. „Batu“ bedeutet auf Deutsch Frosch, „Katak“ ist der der Stein – und auch hier gibt es viele mystische und verträumte Legenden über die Geschichte dieses bezaubernden Ortes. Wilderei, Abholzung und Ausbeutung von Mensch und Natur durch Palmölplantagen gehören hier durch das große Engagement Einzelner der Vergangenheit an, und wurden ersetzt durch engagierten Naturschutz, nachhaltigen Ökotourismus (in ganz kleiner Form), Tierbeobachtung und Wandlung des Bewusstseins für einen respektvollen Umgang mit der Natur. In friedlichen und bequemen Unterkünften kann man hier definitiv so was von die Seele baumeln lassen…
MEINE ABSOLUTE LIEBLINGSFRUCHT
Für mich das allerleckerste Früchtchen auf Erden: die Mangostin. Ehrlich, die Königin der Früchte! Dabei ist es mir egal, ob aus ihrer Schale Heiltees gebraut werden oder ob sie in der traditionellen ethnischen Volksheilkunde als höchstwirksames Mittel bei den unterschiedlichsten Krankheiten angewendet wird. Ich find sie unvergleichlich lecker!
EINE AUGENWEIDE
Hier gibt es echt alles! Und alles in echt: verwunschene Wasserfälle, verträumte Reisfelder, undurchdringlichen Urwald, pittoreske Vulkanseen, unendliches Meer, brodelnde Vulkane, heiße Quellen, verlockende Berge …
Da bleiben keine Wünsche offen und meine Augen nicht trocken.
DIE PFLANZEN
Nur mal so als Beispiel: Mit Gestank fängt man Fliegen – ein Trick, den die Rafflesie perfekt beherrscht: Sie riecht nach verwesendem Fleisch, und genauso sieht ihre rot-gesprenkelte Blüte auch aus. Und – ähnlich wie bei einem soeben verendeten Tier – strahlt sie Wärme aus. Tja, darauf fliegen nun mal Fliegen und gewisse Käfer. So sichert sich die Rafflesie ihre Bestäubung. Aber berühmt ist diese Pflanze nicht nur wegen ihrer faulen Tricks, sondern wegen ihrer Ausmaße: Einen Meter Durchmesser erreicht die Blüte der Rafflesie und dann kann sie bis zu elf Kilo auf die Waage bringen … Nicht schlecht! Fast ein Jahr braucht die Rafflesie, um die Schönheit ihrer Blüte komplett auszubilden, strahlt dann leider nur für einen ganz kurzen Augenblick, um nach 4 bis 7 Tagen zu zähem schwarzem Schleim zu zerfallen. Noch eine Eigenart: Mal abgesehen davon, dass sie niemals wieder am selben Ort erblüht, zumeist ist diese kuriose Pflanze erst nach sehr schweißtreibenden Märschen durch den Dschungel zu bewundern … aber es lohnt sich!
DIE ORANG UTANS
Der Nationalpark Gunung Leuser ist eines der größten Naturreservate Indonesiens und zählt seit 2004 zwar zum UNESCO-Welterbe, ist aber auch seit 2011 auf der Roten Liste des gefährdeten Welterbes verzeichnet. Hier leben sie, die „Waldmenschen“, die Orang-Utans. Stundenlang stolpert man durch deren letzten Rückzugsort, durch ein unwegsames Dickicht auf matschigen Pfaden, bis man sie tief im Dschungel endlich gefunden hat. Jedes einzelne dieser bezaubernden Wesen hat eine eigene Persönlichkeit. Und es sind die Augen, die mich so sehr fesseln, weil sie mir irgendwie so unglaublich vertraut erscheinen. Ein wundervoller, kurzer Moment, in großer Ruhe und tiefer Verbundenheit und dann noch eine flüchtige Berührung einer Orang-Utan Dame, die meine Hand nimmt, das fühlt sich fast wie ein kleines Wunder an …
DIE KURIOSITÄTEN
Hier geben Kühe echt Vollgas! Das Pacu Jawi ist kein typisches Kuhrennen, sondern mehr ein kultureller Anlass, der schon seit hunderten von Jahren durchgeführt wird. Ein lokales Cow Race mitzuerleben ist echt der Hammer! Vor dem Start in die neue Pflanzsaison wird dieser Wettkampf ausgetragen: Im schlammigen Reisfeld packen die Männer ihre Kuh am Schwanz und lassen sich ähnlich, wie beim Wasserski durch das Schlammfeld ziehen. Gewinner ist derjenige, der am schnellsten die Stecke zurücklegt, ohne hinzufallen. Der Dreck spritzt meterhoch, das Adrenalin kann man förmlich riechen, die Menge tobt und feuert die Teilnehmer an. Bei den Jockeys braucht es nicht wirklich viel Motivation – bei den Kühen dagegen sieht es anders aus: Sie verweigern gern mal den Dienst oder brechen sogar in die komplett falsche Richtung aus … Was für ein Fest! Mit vielen Verkaufsständen, lokalen Snacks und Getränken, mit Livemusik und offizieller Siegerehrung und Pokalverleihung. Man muss einfach mal dabei gewesen sein …
Eine meiner Lieblingssagen ist die Sage über Architektur der Minankabau:
Minang bedeutet „Sieg“ und kabau ist der „Büffel“. Demnach bedeutet Minangkabau übersetzt: „Der siegreiche Büffel“. Der Name beruht auf der Sage, in der ein Javanesischer König einst das Land der Minangkabau erobern wollte und dem Sultan von Sumatra den Krieg erklärte. Der schlaue Sultan überzeugte jedoch den König davon, dass nicht die Menschen gegeneinander kämpfen sollten, sondern dass man doch seine Büffel den Kampf austragen lassen solle. Da der Javaner davon überzeugt war den allerstärksten Büffel zu besitzen, willigte er ein. Jetzt kommt der Trick: Die Minangkabau gaben einem jungen Kalb vor dem Kampf für mehrere Tage keine Milch. Kurz vor dem Büffelkampf befestigten sie eine Speerspitze am Maul des hungrigen Kalbs und schickten es in den Kampf. Hungrig stürzte sich das Kalb auf den Büffel des Javanesen und töte ihn blitzschnell durch die Speerspitze. So gewannen die Minangkabau den Krieg und konnten ihr Land behalten.
Seitdem erinnern die typischen Dächer der Minangkabau Häuser an Büffelhörner – verziert mit einer Speerspitze …
Man erzählt sich Geschichten über die Kultur der Batak, die berüchtigt für ihren Kannibalismus seien. Auf Verbrechen stand Verspeisen: Schurken wurden Opfer eines animistischen Brauchs: Ihre Organe wurden in Stücke geschnitten, mit Chili gewürzt und verspeist. An einem Versammlungsplatz im Königsdorf Siallagan stehen noch immer die originalen, aus Naturstein gehauenen Stühle, Sessel und ein Tisch, auf dem die Stammesführer über das Schicksal der Gefangenen richteten. Die Christianisierung konnte den Schamanismus nicht wirklich austreiben und so ist auch heute noch die Küche auf Samosir blutig: Sangsang, in Blut gekochtes Schwein, gilt als Delikatesse. Und so ganz ohne Magie kommen hier die Köche wohl auch nicht aus: In Restaurants mit mehr oder weniger diskreten Verkaufsschildern mit einem Hinweis auf „Magic Mushrooms“ werden Pilze im Omelett angeboten …
DIE MENSCHEN
Ich lerne auch die nicht reichen, aber glücklichen Weberinnen kennen, die fest in den Traditionen ihres Stammes verwurzelt sind. Die Minangkabau leben in einer matriarchalischen Gesellschaft, in der jeder materielle Besitz in mütterlicher Linie vererbt wird und das, obwohl der Islam die am weitesten verbreitete Religion in Westsumatra ist. Nicht nur bei den Weberinnen, sondern bei allen anderen hier üblichen Handwerkern ist es so, dass das komplette Dorf das selbe Handwerk ausübt – und das ist schlau – denn sie bilden so eine geschlossene und gut organisierte community, in der alle einzelnen Einkünfte gerecht untereinander aufgeteilt werden … und nicht jeder allein für seinen Unterhalt kämpfen muss. Ein Plan, der funktioniert, wie ich finde.
Unser Spendenprojekt für den Englisch Club in Tangkahan lief bis dato richtig gut! Dafür möchte ich allen nochmals ein aus tiefstem Herzen kommendes Dankeschön zu sagen. Sie können sich kaum vorstellen, wie sehr wir uns gefreut haben – und noch immer freuen – dass Ihre Großzügigkeit so vieles realisierbar machen wird. Unsere Gedanken sind auf das laufende Jahr gerichtet: Der Bau eines zweiten Klassenzimmers ist in greifbare Nähe gerückt, das Interieur kann aufgebessert werden, Lehrmittel können eingekauft werden und auch die Gehälter der Lehrer werden teilweise gesichert. Zurzeit arbeiten wir an einer entsprechenden Konzeption und halten euch selbstverständlich auf dem Laufenden, was sich in Tangkahan und im „English Club“ in absehbarer Zeit alles verändern wird. Wir haben noch so viele Ideen und Impulse, die wir gern umsetzen möchten.
Wir machen weiter – denn wir können die Welt ein kleines bisschen schöner machen! Noch einmal unsere Hochachtung und Respekt für Ihre Spende und Ihr großes Herz – auch im Namen der Kinder und Lehrer des „English Club“ und der gesamten Tangkahan Community.
Diese paar Gründe (von meinen 1000) sind schon mehr als genug, um zu verstehen. Was bleibt, sind auf jeden Fall wundervolle Erinnerungen, die ich gerne immer wieder auffrischen möchte. Und wer jetzt Lust auch so richtig Lust auf Sumatra bekommen hat, der kann sehr gern mit mir im Herbst auf Fotoreise gehen! Ausführliche Infos auf der Seite FOTOREISEN.
Möglicherweise ist es viel bedeutungsvoller an einem fremden Ort kein Heimweh zu haben, als an Heimweh zu leiden. Oder?